Im September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass Arbeitgeber in Deutschland gesetzlich verpflichtet sind, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen (AZ: 1 ABR 22/21). Ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), der diesem Urteil Rechnung trägt, befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung.

Aufzeichnungspflicht

Grundsätzlich, so die Planung, müssen Arbeitgeber künftig die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten aufzeichnen, und zwar Beginn, Ende sowie konkrete Dauer. So genau war es bislang lediglich im Mindestlohnbereich vorgesehen. Während es dort bislang allerdings ausreichte, diese Daten innerhalb der nächsten sieben Tage aufzuzeichnen, soll es nun erforderlich sein, die Daten jeweils unmittelbar am Tag der Arbeitsleistung zu erfassen.

Elektronik im Vormarsch

Eines ist klar: Auf Dauer reicht die klassische Stechuhr nicht mehr aus, da der Gesetzgeber eine elektronische Arbeitszeiterfassung fordert. Doch keine Sorge, eine spezielle Software muss hierfür in aller Regel nicht angeschafft werden. Theoretisch geht es – so die Gesetzesbegründung – auch mit einer Tabellenkalkulation, also Excel und Co. Zudem können Tarifverträge sowie Betriebs- oder Dienstvereinbarungen andere Lösungen vorsehen.

Gänzlich auf elektronische Aufzeichnungen verzichten dürfen Betriebe mit bis zu zehn Arbeitnehmern. Gleiches gilt für ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn sie bis zu zehn Leute nach Deutschland entsenden. Ferner gehören dazu Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen.

Für alle anderen Arbeitgeber sind Übergangsregelungen vorgesehen. So wird generell im ersten Jahr keine elektronische Aufzeichnung gefordert – theoretisch reicht eine handschriftliche Dokumentation. Kleine und mittlere Betriebe können zwei Jahre auf elektronische Aufzeichnungen verzichten, sofern sie weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigten. Sind es weniger als 50 Arbeitnehmer, beträgt die Übergangsfrist fünf Jahre.

Wichtig: Bei den beschriebenen Ausnahmen geht es allein um die elektronische Erfassung, nicht um die Aufzeichnung als solche. Diese wird mit In-Kraft-Treten des Gesetzes – ohne Übergangsfrist und ohne Ausnahmen – obligatorisch.

Dokumentiert und archiviert

Die Nachweise über die geleistete Arbeitszeit müssen vom Arbeitgeber mindestens zwei Jahre lang aufbewahrt werden. Zudem können Beschäftigte Informationen über die aufgezeichnete Arbeitszeit verlangen – beispielsweise, wenn es darum geht, die Bezahlung bzw. den Ausgleich geleisteter Überstunden geltend zu machen.

Vereinbarungen gehen vor

Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Vereinbarungen der Tarifpartner zu. So können Tarifverträge (oder auf deren Basis erlassene Betriebs- oder Dienstvereinbarungen) Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung vorsehen. Ebenfalls ist eine Vereinbarung denkbar, nicht täglich dokumentieren zu müssen. Maximal wäre laut Gesetz ein Spielraum von sieben Kalendertagen drin. 

BEISPIEL
Im Tarifvertrag wird geregelt, dass die hiervon erfassten Unternehmen die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten einmal wöchentlich in eine Excel-Tabelle erfassen, soweit sie kein elektronisches Verfahren zur Zeiterfassung nutzen.

Sonderfälle

Weitere tariflich festzulegende Ausnahmen sind denkbar für Arbeitnehmergruppen, die keine festen Arbeitszeiten haben, sondern über deren Umfang und Einteilung selbst entscheiden. Wer genau zu diesem Personenkreis gehört (gedacht ist an bestimmte Führungskräfte, besondere Experten, Wissenschaftler etc.) und damit nicht der Aufzeichnungspflicht unterliegt, ist von den Tarifpartnern festlegen.

Vertrauensarbeitszeit

Auch Arbeitsverhältnisse, bei denen Arbeitnehmer im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit tätig werden, passen nicht wirklich in diesen Rahmen. Weil hier Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht festgelegt, sondern den Mitarbeitern überlassen werden, würde es diesem Modell quasi zuwider laufen, müsste der Arbeitgeber die Zeiten konkret erfassen und nachhalten.

Die Lösung: Das Gesetz erlaubt es, dass Arbeitgeber ihre Aufzeich­nungs­pflicht an die Arbeitnehmer delegieren können. So muss der Arbeitgeber bei einer Vertrauensarbeitszeit lediglich sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Die Arbeitszeiten müssen zwar – zum Beispiel vom Arbeitnehmer – aufgezeichnet werden, der Arbeitgeber kontrolliert jedoch nicht, ob die vertraglichen Arbeitszeiten eingehalten werden.

Kommt es zu einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde, müssen die Arbeitgeber die korrekte Zeiterfassung nachweisen. Entsprechend müssen sie in diesen Fällen dafür sorgen, dass Mitarbeiter die Zeiten auch tatsächlich dokumentieren.

BEISPIEL
Ein Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit erfasst Beginn und Ende seiner Arbeits- und Pausenzeiten mittels einer App. Diese sendet eine Information an den Arbeitgeber, wenn Höchstarbeits- und Pausenzeiten nicht eingehalten bzw. keine Zeiten erfasst werden.

Hohe Strafen bei Verstößen

Bei Verstößen gegen die neuen Aufzeichnungspflichten drohen Ar­beitgebern erhebliche Strafen. Das Gesetz nennt Bußgelder bis zu 30.000,00 Euro und den Einzug von Gewinnen, die aufgrund von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz ermöglicht bzw. erzielt wurden.

Wie geht es weiter?

Der Referentenentwurf zur Neufassung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung. Wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, und welche Änderungen letztlich beschlossen werden, ist zurzeit noch nicht absehbar.